Die Geschichte
In Wien, genauer gesagt am Nußberg, Kahlenberg und Bisamberg, wird schon seit 750 vor Christus Wein angebaut. Damals wussten die Wiener anscheinend schon, dass nichts so sehr das Herz (und die schwarze Wiener Seele) erheitert wie ein feines Tröpferl. Besonders der Gemischte Satz hat hier eine lange Tradition, die sich tapfer durch die Jahrhunderte gehalten hat. Bis zur furchtbaren Reblaus-Katastrophe im 19. Jahrhundert war dieses Weinbauverfahren überall in Mitteleuropa gang und gäbe – also kein Wiener Sonderfall. Damals pflanzte man die Reben wild durcheinander, viele unterschiedliche Sorten in den selben Rieden.
Woher dieser gemischte Pflanzwahn kommt? Niemand weiß es so genau. Aber die Winzer dachten sicher: Viel hilft viel, wenn irgendwas passiert bleibt noch immer was über - schließlich reagiert jede Sorte anders aufs Wetter. Die einen jammern bei Frost, die anderen bei zu viel Sonne, aber gemeinsam passts schon irgendwie. Und so sicherten sich die Wiener einen konstanten Weinertrag und die perfekte Grundlage für einen feinen, nachhaltigen Fetzn.
Dann gibt es da noch die Legende vom Stephansdom, angeblich wurde der unvollendete Nordturm mit Wiener Wein gebaut – Der Wein des Jahres 1450 war einfach so sauer, dass selbst der Durstigste das Gesicht verzog. Die Wiener Weinbauern wollten ihn schon wegschütten, als Kaiser Friedrich III. entschied: "Weghaun tamma nix" ! Der „Reifbeißer“ – so nennt man den Säureflash in Wien bis heute – wurde stattdessen als Baustoff für den Dom verwendet. Natürlich wissen wir nicht mehr genau, aus welchen Rebsorten dieser Betonmischer bestand, aber man vermutet, es war ein Gemischter Satz.
Im Mittelalter hatte der Wiener Wein übrigens einen Ruf, der bis weit über die Stadtmauern hinaus reichte, feiner als so mancher Rheinwein oder Burgunder. Damals hieß es: „Eine Rebsorte im Weingarten ist wie eine Geige, der Gemischte Satz aber ist ein ganzes Orchester.“ Und wer will schon eine Solovioline, wenn er ein volles Konzert haben kann?
Besonders im 19. Jahrhundert liebten es die Leute, sich mit einem Nußberger, einem Gemischten Satz aus Riesling, Neuburger, Weißburgunder und Traminer am Kaiserhof zu bespaßen. Der Nußberger war der Champagner der Habsburger – nur mit mehr Schwung und einem größeren Nagelpotential.
Aber dann kam das Ende des 19. Jahrhunderts, und mit der Klonenselektion war Schluss mit dem wilden Gemisch im Weingarten. Reinsortig war plötzlich angesagt. Die Houseparty der Reben wurde zur Silent Disco für Einzelkämpfer und der Gemischte Satz verschwand allmählich von der Bildfläche.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, als man von der aufwändigen Stockkultur zur Drahtkultur wechselte, sah es für den Gemischten Satz noch düsterer aus – er verschwand aus vielen Weingärten, blieb aber als einfacher Heurigenwein bestehen. Doch einige unbeugsame & rebellische Winzer setzten weiterhin auf Qualität und halfen dem Gemischten Satz in den 1990er Jahren, sein Image als „Feierabendwein“ abzuschütteln.
Im Jahr 2006 gründeten vier Wiener Winzer die Gruppe „WienWein“ und starteten eine Weinmission, um den Gemischten Satz wieder ins Rampenlicht zu rücken – und das weit über die Stadtgrenzen hinaus. 2008 wurde der Gemischte Satz von Slow Food Österreich in die „Arche des Geschmacks“ aufgenommen – ein Ehrenplatz für bedrohte Köstlichkeiten, wenn man so will.
2009 schlossen sich dann noch weitere Wiener Winzer zum „Verein zur Erhaltung und Förderung des Gemischten Wiener Satzes“ zusammen, um sicherzustellen, dass dieser traditionsreiche Wein auch in Zukunft genossen werden kann. Und damit nicht genug: 2011 wurde der Wiener Gemischte Satz auch regulatorisch in der Weinbauverordnung abgesichert – ab sofort wusste jeder, der zum Glas griff, dass hier ein echter Wiener im Glas war.
Heute erlebt der Gemischte Satz ein strahlendes Comeback und gilt als Symbol der Wiener Weinkultur – ein flüssiges Meisterwerk, das in seiner Vielfalt betrunken macht, aber dabei immer stilvoll bleibt,
Im Wiener Gemischten Satz kommen mindestens drei Rebsorten zusammen, weil’s halt so schön ist, wenn sich die Aromen nicht streiten, sondern Händchen haltend durch den Gaumen spazieren. Die größte Sorte darf maximal 50% ausmachen, der drittgrößte Anteil muss mindestens 10% sein – das ist Wein-Choreographie auf höchstem Niveau. Der klassische und traditionelle Gemischte Satz bestand aus Grünem und Rotem Veltliner, Muskateller, Neuburger, Rheinriesling, Traminer und Weißburgunder, Grobe und Zierfandler. Dabei kommt jeder Rebsorte eine Funktion zu. Der Grüner Veltliner und Weißburgunder sorgen für Struktur und ein fruchtiges Grundgerüst, üppige, frühreife Sorten, wie Neuburger steuern den Schmelz bei (dichter Fruchtgeschmack, der am Gaumen mit einem schmelzigen Nachgeschmack entsteht), der Riesling die Säure und Traminer und Muskateller sind für das Aroma zuständig. Aber auch die Tatsache, dass stets etwas überreife mit exakt vollreifen und ein wenig unreifen Trauben gemeinsam gelesen werden, sorgt für Komplexität.
Die Örtlichkeiten